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URBAN SUN ist ein Projekt des niederländischen Studios Roosegaarde, entstanden mit einem internationalen Gremium von Wissenschaftlern. Die UV-C-Strahlung unter dem „Sonnenlicht“ reduziert Corona- und Influenzaviren im Lichtzirkel um bis zu 99,9%.

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Virenfreie Atmosphäre

GZ Schwerpunkt Luftreinigung

Wer die GZ aufmerksam verfolgt, konnte in letzter Zeit vereinzelt Beiträge zur Luftreinigung entdecken. Es geht dabei um Infektionsschutz durch die Beseitigung und Vernichtung von Viren in der Raumluft. Das Thema ist wichtig, vernachlässigt und brisant. Denn wo man die bestehenden Schutzmaßnahmen einhält und zusätzlich die Luft wirksam reinigt, sind Geschäfte sicher – und sollten dauerhaft öffnen dürfen. Welches konzeptionelle Potenzial hat die Technik, die bereits staatlich gefördert wird? Was sagt die Politik, was die Wissenschaft? Näheres dazu sowie einige Anbieter finden Sie in unserem Schwerpunkt.

Konzept: Martin Glauner und Saraj Morath
Texte: Saraj Morath

 

Handlungsbedarf

Im Thema Luftreinigung steckt Dynamik. Es ist zwar noch nicht allgegenwärtig, wird aber zusehends präsenter. Eine Momentaufnahme in fünf Ausschnitten.

FÖRDERUNG

Die vielleicht wichtigste Nachricht zuerst: Mobile Luftreiniger werden staatlich gefördert, jetzt sogar bis zu 100 Prozent. Die Förderhöhe im Rahmen der „Corona-Überbrückungshilfe III für kleine und mittelständische Unternehmen“ hängt vom Umsatzeinbruch gegenüber dem jeweiligen Vergleichsmonat 2019 ab. Gleiches gilt für die Nachrüstung stationärer Luftreiniger. Daneben gibt es Fördermöglichkeiten für Kultur und Medien, ein Förderprogramm des Bundes für die Corona- gerechte Umrüstung von Lüftungsanlagen in öffentlichen Gebäuden sowie Programme einiger Bundesländer.

WISSENSCHAFT

Am 11. April ging ein offener Brief von Aerosol-Experten an die Regierung. Ihre Forderung: die Fokussierung auf den Infektionsschutz in Innenräumen durch eine „kluge Koordinierung von Maßnahmen“ – Kontaktreduktion, kurzer Aufenthalt drinnen, häufiges Stoß- und Querlüften, effektive Masken, die Bevorzugung großer Hallen. Plus: die Installation von Raumluftreinigern und Filtern überall dort, „wo Menschen sich länger in geschlossenen Räumen aufhalten müssen“.

Übertragung über die Atemluft

Denn: Der Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 ist laut Robert Koch-Institut die Aufnahme virushaltiger Partikel über die Atemwege, „die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen und Niesen entstehen“. Während größere Partikel schnell zu Boden sinken, können die kleineren Aerosole, so das RKI, „auch über längere Zeit in der Luft schweben und sich in geschlossenen Räumen verteilen“.

Abscheidung oder Inaktivierung

Hier setzen Luftreiniger an – mit „der Abscheidung von Partikeln, typischerweise über Filter, und der Inaktivierung des infektiösen Materials durch Behandlung des Luftstromes mit Technologien wie UV-C-Bestrahlung, Ionisation/ Plasma oder Ozon-Zugabe“, wie eine aktuelle Studie des Fraunhofer- Instituts erklärt. Studien, die für den Einsatz von Luftreinigern sprechen, gibt es einige – etwa vom Universitätsklinikum Münster oder der Goethe-Universität Frankfurt.

„Wir bitten um Verständnis, dass wir nichts dazu sagen können.“

POLITIK

Wir fragen die sechs Bundestagsfraktionen, weshalb Luftreinigung als zusätzliche Schutzmaßnahme nicht Teil einer langfristigen Öffnungsstrategie ist, obwohl die Geräte staatlich gefördert werden. Und, ob eine Zertifizierung in Arbeit sei.

Die Antwort der SPD-Fraktion: „Wir drängen seit Langem auf eine klare Öffnungsstrategie für die Wirtschaft, die Hygienekonzepte inklusive Luftreinigung berücksichtigt. Leider gibt es vonseiten des Bundeswirtschaftsministeriums hierzu keine Bewegung“, sagt Sabine Poschmann.

Und weiter erklärt die stellvertretende wirtschafts- und energiepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion: „Wir plädieren für klare Regeln, die für alle gelten und die somit auch kontrollierbar wären. Allerdings sind hierfür letztendlich die Länder, zum Beispiel die Arbeitsschutz- Behörden, zuständig. Das heißt, der Bund könnte sich für einheitliche Regelungen einsetzen, aber die Länder müssten diese auch umsetzen.“

Keine Antwort von vier Fraktionen

Die AfD-Fraktion fordert uns auf, die Frage direkt an die Bundesregierung zu stellen. Weshalb Luftreinigung nicht Teil einer langfristigen Öffnungsstrategie ist, könne man nur vermuten: „In letzter Zeit haben Unternehmen, besonders in der Gastronomie, Auflagen für eine Öffnung erfüllt und durften dann trotzdem ihre Betriebe nicht öffnen. Es könnte sein, dass die Bundesregierung diese Kritik vermeiden will, das heißt, die Installierung von Luftreinigungs- Anlagen mit der Forderung verbinden zu können, nun wieder in einen vernünftigen wirtschaftlichen Ablauf zu kommen“, meint Detlev Spangenberg, gesundheitspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „bitten um Verständnis“ dafür keine Stellung zu beziehen. CDU/ CSU, FDP und DIE LINKE reagieren nicht, ebenso wenig das Bundesministerium für Wirtschaft sowie das Umweltbundesamt. Die Bundesregierung antwortet nach zweifacher Anfrage über das Bundesgesundheitsministerium. Allerdings geht die Pressebeauftragte nicht auf die Frage nach dem zusätzlichen Schutz ein, sondern übermittelt Infos, die man auf der Website des Robert Koch-Instituts nachlesen kann. Stand November 2020.

ZERTIFIZIERUNG

Die BAuA, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, schreibt in einem Leitfaden vom März, nach überwiegender Expertenmeinung werde nur die Verwendung von Raumluftreinigern auf der Basis von Schwebstoff-Filtern nach DINoder ISO-Norm zur Reduktion der Konzentration von Viren oder virenbelasteten Aerosolen in der Raumluft empfohlen. „Für andere Methoden der Luftreinigung beziehungsweise -desinfektion“, so heißt es, „existieren noch keine Prüfnormen zum Nachweis der Wirksamkeit unter standardisierten Testbedingungen.“

Der Expertenkreis Aerosole des Landes Baden-Württemberg sieht ebenfalls Forschungsbedarf und warnt vor Nebeneffekten im Falle einer Freisetzung von Ozon sowie vor möglicher Schädigung durch UV-C-Strahlung. In einem vom Land geförderten Projekt sollen vier Institutionen „die notwendigen wissenschaftlichen Grundlagen zur Etablierung zertifizierter Prüfverfahren erarbeiten“.

„Manches Atelier ist besser entkeimt als ein Krankenhauszimmer.“Reinhard Bochem, Geschäftsführer Schiefer & Co.

INITIATIVEN

Derweil hat die Arbeitsgemeinschaft LUV Ende Januar in Eigeninitiative eine „längst fällige Richtlinie“ für UV-C-Entkeimung samt Prüfsiegel entwickelt, um den Behörden und der Politik Handlungssicherheit zu geben. „UV-C-Bestrahlung ist die beste Lösung gegen Viren und für Menschen sicher, wenn die festgelegten Parameter eingehalten und Geräte korrekt gekennzeichnet werden“, erklärt Mitinitiator Thomas Rous.

Die Luftreinigung als Schlüsseltechnologie voranbringen will auch Reinhard Bochem. Der Geschäftsführer der Hamburger Scheideanstalt Schiefer & Co. hat einen Vorschlag zur Zertifizierung entwickelt und in der März-GZ mit einer großen Aktion Aufmerksamkeit geschaffen. Inzwischen hat er einige Goldschmiede mit der Technik ausgestattet. Diese werden, so sagt er, „anwaltlich gegen eine erneute Schließung vorgehen, denn ihr Geschäft ist besser entkeimt als manches Krankenhauszimmer.“

Natürlich ist Luftreinigung auch für Veranstaltungen interessant: THE SHOW erwägt, die Technologie einzusetzen, nachdem auf der letztjährigen Intergem bereits Plasmageräte genutzt wurden. Das sind nur einige Beispiele, die zeigen: Es tut sich was. Den Tsunami, den sich Reinhard Bochem wünscht, hat die Luftreinigung zwar noch nicht ausgelöst. Aber, um das Bild aufzugreifen: Aus dem lauen Lüftchen ist eine steife Brise geworden.

 

„IN DER ERWACHSENENWELT LÄNGST ETABLIERT“

Prof. Dr. rer. nat. habil. Christian J. Kähler ist Physiker, Professor für Strömungsmechanik und Institutsleiter der Universität der Bundeswehr München. Seine Studien zur Wirksamkeit von Raumluftreinigern sprechen mit positiven Resultaten für sich. Die GZ sprach mit ihm.

Wie stehen Sie zu mobilen Luftreinigern?
Prof. Dr. Christian Kähler: Zur Pandemie-Bekämpfung brauchen wir eine Kombination aller Mittel. Man muss sich klarmachen, wofür Luftreiniger eingesetzt werden. Nicht zum Schutz vor direkter Ansteckung, sondern zur Minimierung des indirekten Infektionsrisikos. Dafür eignen sich Raumluftreiniger sehr gut. Sie funktionieren kontinuierlich, unabhängig von der Handlungsbereitschaft des Menschen und von physikalischen Faktoren wie Temperatur-Schwankungen.

Woran liegt es, dass Luftreinigung nicht Teil einer offiziellen Strategie ist?
Die Luftreinigung ist ein international anerkanntes Schutzkonzept gegen indirekte Ansteckung, empfohlen unter anderem von der Harvard School of Public Health, der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC oder der Weltgesundheitsorganisation. Etliche öffentliche Einrichtungen in Deutschland haben bereits mobile Geräte im Einsatz. Das Konzept ist in der Erwachsenenwelt längst etabliert, nur wird es nicht flächendeckend von der Politik aufgegriffen.

Was sollte man bei mobilen Geräten beachten?
Einen 6-fachen Luftaustausch pro Stunde bezogen auf das Raumvolumen und eine Inaktivierungs- beziehungsweise Abscheidungsrate von 99,995 Prozent bei einem Luftdurchlauf. Die Geräte sollten nicht lauter sein als 50 Dezibel, verwendete Schwebstoff-Filter zertifiziert nach DIN-Norm EN 1822-1. Die Position im Raum ist nicht entscheidend, solange der Raumluftreiniger frei steht.

Wie beurteilen Sie Ansätze zur Zertifizierung, etwa vonseiten des Landes Baden-Württemberg?
Davon halte ich im Kontext der Pandemie nichts, weil das Jahre dauern wird. Auf ein allgemein akzeptiertes Verfahren können wir nicht warten. Aus meiner Sicht ist das ein Versuch, Bürokratie einzuführen, um ein wissenschaftlich klar empfohlenes Schutzkonzept zu verhindern.

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