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Kommt die Smartwatch-Krise?
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In Sachen Renommee und Erfolg hatten Luxusuhren aus der Schweiz in den vergangenen Jahren die Nase vorn. Nun werden sie zahlenmäßig von Smartwatches abgehängt. Kündigt sich eine Krise der Schweizer Uhren an?
Die Schlagzeilen klingen besorgniserregend: „Smartwatches beliebter als Schweizer Uhren“, titelte etwa die Schweizer Handelszeitung, nachdem die Bostoner Analysefirma Strategy Analytics im Februar neue Zahlen vermeldet hatte. Demnach kauften im 4. Quartal 2015 vier Mal so viele Menschen Smartwatches wie im 4. Quartal des Vorjahres – in Zahlen seien das insgesamt 8,1 Millionen Computeruhren gewesen. Dabei hat Apple laut Strategy Analytics die Nase vorn – mit einem Marktanteil von 63 Prozent.
Den 8,1 Millionen verkauften Smartwatches stehen im selben Zeitraum insgesamt 7,9 Millionen weltweit verkaufter Schweizer Uhren gegenüber. Damit haben die Computeruhren zum ersten Mal die Schweizer Uhrenindustrie überrundet – zumindest in Bezug auf Stückzahlen. Aber: Eine Schweizer Uhr kostete 2015 im Schnitt satte 730 Schweizer Franken (etwa 685 Euro), während beispielsweise die Apple Watch ab 399 Euro erhältlich ist. Gemessen am Preis hat die Schweizer Uhrenindustrie 2015 Uhren im Wert von 21,5 Milliarden Franken exportiert, was gegenüber dem Jahr 2014 zwar ein Minus von rund drei Prozent ausmacht, aber dennoch das vergangene Jahr zum drittbesten in der Geschichte der Schweizer Uhrenindustrie macht.
Das hört sich nicht schlecht an, doch wer an die Quarzkrise der 70er-Jahre zurückdenkt, entdeckt fatale Parallelen. Damals hatte man in der Schweiz die Entwicklung der Quarztechnologie fast verschlafen und konnte nicht mehr an die günstige Produktion aus Fernost aufschließen. Die Folge war, dass die gesamte Industrie fast verschwand. Auch jetzt gibt
es Schweizer Marken, die Smartwatches oder Connected Watches anbieten, aber offensichtlich nicht das Gros der technikaffinen Kunden ansprechen können. Denn laut Strategy Analytics haben diese nur einen Anteil von einem Prozent an den verkauften Smartwatches.

Dämmert also eine neue Krise auf? Werden die Smartwatches ohne Schweizer Beteiligung zum neuen Begleiter am Handgelenk, während „normale“ Uhren verschwinden? Nicht unbedingt, denn die Zeiten haben sich geändert. Heute sind Uhren nicht mehr nur Instrumente der Zeitmessung, sondern werden für ihre Mechanik und ihre Handwerkskunst wertgeschätzt. Am Handgelenk trägt man sie nicht mehr aus funktionalen, sondern aus Gründen des Stils und der Mode. Eine Gesinnung, die nicht vor dem Aussterben steht – und Schweizer Uhren gelten unangefochten als Krönung. Deren Absatzrückgang – im Januar 2016 sind die Schweizer Uhrenexporte im Vergleich mit dem Vorjahresmonat um 7,9 Prozent gesunken – hat eher mit Krisen der Welt und mit schwächelnder Wirtschaft zu tun als mit der Smartwatch. Dennoch müssen Hersteller und insbesondere Juweliere wachsam sein. Der Kunde wird zunehmend preissensibel und erwartet echte Inhalte statt hohler Marketingphrasen. Eine überzeugende Mischung aus Design, Fertigungsqualität und Markenimage wird immer wichtiger, um in einem eventuell schmäleren Markt bestehen zu können.
Denn der Absatz von Smartwatches, Bluetooth-Headsets und Fitnessarmbändern wird weiter wachsen – bis zum Jahr 2020 erwartet Strategy Analytics ein Umsatzvolumen von 62 Milliarden US-Dollar. Wer von diesem Kuchen ein Stück abhaben möchte, muss jetzt handeln. Wie das geht, zeigt das Beispiel Casio, deren Modell Edifice EQB-500 laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Juwelierfachhandel und Generalisten Marktführer im Segment der Connected Watches 2015 (Uhren mit Bluetooth-Funktion) gewesen ist. Diesen Erfolg bereitete Casio durch Konzepte und Schulungen bei den Partnern vor – ein Engagement, das sich auszahlt.
Text: Iris Wimmer-Olbort
Ressortleiterin Uhren