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Hinterm Horizont geht´s weiter

Coronavirus

Der Bundestag hat am Mittwoch ein Milliardenpaket zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise geschnürt. Was das für die Branche bedeutet und wie die weiteren Aussichten sind, dazu ein Kommentar der GZ-Chefredaktion. 

Finanzminister Olaf Scholz packt nun die Bazooka aus: Ein insgesamt 750 Milliarden schweres Hilfspaket inklusive 156 Milliarden neuer Schulden wurden am Mittwoch vom Bundestag bewilligt. Der Abschied von der schwarzen Null ist richtig, denn Deutschland steht vor einer Herkules-Aufgabe. Das von dem britischen Ökonomen John Maynard Keynes unter dem Eindruck der Folgen der großen Depression entwickelte Deficit-Spending ist jetzt das Gebot der Stunde. Es ist auch kein Problem neue Schulden aufzunehmen, da Deutschland höchste Bonität aufgrund der bislang guten Haushaltslage genießt. Gut, dass man zuvor wie die „Schwäbische Hausfrau“ für solche Zeiten gespart hatte. Nun hat man die Mittel und Freiräume, um die Notlage zu überbrücken. Jetzt kommt es darauf an, dass das Geld schnell zu den betroffenen Unternehmen fließt und die Bürokratie sich nicht mal wieder als Hemmschuh erweist. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth begrüßt dann auch die Hilfsmaßnahmen, sieht aber die Gefahr, dass die Kreditbewilligung durch die Banken zu lange dauert. Zumal die Antragsteller auch eine Eigenhaftung von zehn Prozent mindestens mit übernehmen müssen. Genth fordert dringend eine Nachbesserung, unter anderem eine 100prozentige Haftung des Staates, sonst drohe eine Pleitewelle, die deutsche Innenstädte weiter veröden lasse. Viele Einzelhändler halten ohne Cash-flow höchstens einen Monat durch. Insgesamt ist die Bundesregierung mit den Hilfspaketen auf dem richtigen Weg.

Die Weltwirtschaft ist mittlerweile in ein künstliches Koma versetzt worden. Aber, ist das auch richtig so? Nach nur einer Woche Ladenschließungen und weitgehenden Ausgangsbeschränkungen machen sich Zweifel breit, ob das alles überhaupt notwendig war. „Operation gelungen, Patient tot“ titelte Publizist Gabor Steingart jüngst in seinem Morning Briefing. Die Kritik: Gerade da, wo es darauf ankäme, also im Gesundheits- und Pflegebereich, fehlten die einfachsten Mittel wie Desinfektionslösungen und Mundschutz, um Alte und Kranke effektiv zu schützen. Man sei eben schlecht auf die Krise vorbereitet und würde die falschen Prioritäten setzen, wenn man die Risikogruppen genauso behandle wie die Jungen. Die Kritik kommt übrigens vom Präsidenten der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt. Er plädiert dafür, vorbelastete und ältere Menschen besonders zu schützen und dafür langsam das soziale Leben und die Wirtschaft wieder anrollen zu lassen. Auch Clemens Fuest, Chef des Ifo-Instituts fordert ein baldiges Ende des Shutdowns, bedeutet doch jeder Monat uneinholbare Wachstumseinbrüche. In den USA möchte man bereits bis Ostern wieder zur Normalität zurückkehren.

Nun, als Laie kann man kaum beurteilen, was der richtige Weg ist. Hier ist man auf den Rat der Experten, sprich Virologen, angewiesen. Solange die ganze Welt stillsteht, bringt es nichts, wenn Deutschland vorzeitig den Shutdown beendet. Ohne Destinationen, in denen die Flieger landen können und ohne Abnehmer für unsere Exportgüter, ist das wenig sinnvoll. Hier ist ein koordiniertes Vorgehen, zumindest in Europa, sinnvoll. Das gilt auch bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen, die man nur gemeinsam stemmen kann. Sonst droht die EU auseinanderzufliegen. Allerdings sollte der Stillstand auch nicht allzu lange dauern, sonst sind die Kollateralschäden zu groß.

Zusammenhalten ist auch das Gebot der Stunde in unserer Branche. Die Verbände haben rasch reagiert und umfassend über die Möglichkeiten informiert, wie man an Überbrückungshilfen kommt und wie man weiterhin mit den Kunden Kontakt hält. Die Industrie stundet teilweise Forderungen, bleibt für den Handel ansprechbar und versucht die Produktion aufrecht zu erhalten. Bis zur Inhorgenta war die Auftragslage gut. Viele Firmen arbeiten die vorhandenen Orders ab, obwohl die Läden derzeit geschlossen sind. Zahlreiche Hersteller forcieren zudem den Ausbau digitaler Absatzkanäle, über die der Fachhandel seine Kunden auch jetzt weiterhin erreichen kann. Es bewegt sich was. Überfällige Veränderungen werden nun endlich umgesetzt. Einige Protagonisten werden nach der Krise fitter dastehen als zuvor.

Es wird ein Danach geben, soviel ist sicher. Experten rechnen sogar mit einem kleinen Wirtschaftswunder. Das gilt auch für die Uhren- und Schmuckwelt. So werden viele Verliebte nach Ende des Lockdowns sich das Ja-Wort geben. Ehepaare, deren Beziehung durch die Krise gefestigt wurde, drücken mit Schmuck oder einer Uhr ihre Dankbarkeit für die gemeinsam bewältigten Herausforderungen aus. Ein Baby-Boom wird sicherlich zum Jahresende folgen.

Corona läutet keineswegs das Ende des Fachhandels ein: Die Menschen sind nach Wochen der Isolation in ihren Wohnungen hungrig nach Kontakten aus Fleisch und Blut. Sie sind die langen Stunden in den Weiten des Webs, das Streamen von Filmen überdrüssig und suchen wieder authentische Erlebnisse. Wir bewegen uns momentan noch in der Panikphase. Niemand weiß genau, was die Zukunft bringt. In den nächsten Wochen weicht diese Angst der Langweile, wenn man wenig zu tun hat und auf das Ende des Lockdowns wartet. Und dann folgt hoffentlich bald die Zeit des Aufbruchs und Neuanfangs. Die finanziellen Mittel sind da, um bis dahin zu kommen. Sie müssen jetzt schnell fließen.

 

Diese gewaltige Krise birgt daher auch riesige Chancen meint

Axel Henselder

Mitglied der GZ Chefredaktion

 

 

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