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„Wir haben eine Lösung, mit der beide Parteien zufrieden sind“

Es wird viel spekuliert über Rüschenbeck und Rolex. Hier kommen die Fakten. Ein exklusives GZ-Gespräch mit Willy Rüschenbeck über die Hintergründe der Trennung, seine Zukunftsstrategie und den Luxusmarkt.

Herr Rüschenbeck, zahlreiche Gerüchte und Spekulationen über Rüschenbeck und Rolex kursieren im Netz. Sogenannte Experten überbieten sich in Deutungen und Kommentaren. Was sind denn die Fakten?

Willy Rüschenbeck: Die Fakten sind, dass wir zum 31.12.2026 die Zusammenarbeit einvernehmlich beenden. Wir haben uns verglichen und eine Lösung gefunden, mit der beide Parteien zufrieden sind.

Eine harmonische Trennung?

Ja, absolut! Hier ist keiner dem anderen böse, und es gibt keinerlei Animositäten.

Was ist denn der Hintergrund der Trennung?

Der Hintergrund ist schlicht, dass wir unterschiedliche Vorstellungen von der Zusammenarbeit und der Zukunft haben. Und wie das unter Geschäftspartnern üblich ist, muss man sich dann zusammensetzen und das besprechen.

„Wir müssen alle unsere Geschäftsmodelle überdenken.“

Willy Rüschenbeck, Juwelier Rüschenbeck
Willy Rüschenbeck

Was sind die unterschiedlichen Auffassungen?

Unser Ziel ist es, weiter zu wachsen, und wir stehen für den freien Handel. Rolex will vermutlich die eigene Marke stärken und hat möglicherweise andere Vorstellungen bezüglich der Vertriebs­politik. Für uns ist es als freier Händler wichtig, dass wir so viel wie möglich an Allokationen ­haben, das heißt, dass wir Ware verteilen können, die wir dann auch haben. Es ist für einen Händler schrecklich, wenn er nicht so viel verkaufen kann, wie er eigentlich könnte.

Dennoch ist es ja fraglos nicht einfach, Marken wie Rolex und Tudor zu verlieren. Wie wollen Sie das kompensieren?

Wir werden zum Teil versuchen, das mit anderen Marken zu kompensieren. Teile des Markenportfolios, was wir schon führen, werden profitieren. Und sicherlich wird es auch neue Marken geben.

„Schmuck spielt eine
Riesenrolle.“

Spielt Schmuck in der Strategie auch eine Rolle?

Ja, Schmuck spielt eine Riesenrolle. Das spielt er jetzt auch schon. Es kommt neu hinzu, dass wir einen Riesentrend zum Thema Herrenschmuck sehen. Bei uns wächst das Schmucksegment, ­wobei die Zielgruppe gerade der Männer absolut interessant ist. Da gibt es jede Menge Potenzial, das in anderen, zum Beispiel südlicheren Ländern schon viel, viel weiter gehoben ist. Schmuck ist ja generell ein sehr interessantes Thema, weil er sich permanent verändert und Modezyklen überworfen ist. Momentan, und das ist der große ­Unterschied zur Uhr, gibt es für die Uhren einen funktionierenden Zweitmarkt. Für den Schmuck gibt es diesen Zweitmarkt noch nicht. In Amerika gibt es ja einige Versuche, da neue Geschäfts­modelle zu etablieren. Da wird man sehen, wie das funktioniert, weil es halt nicht so eine Preis-Transparenz gibt wie bei den Uhren.

Gibt es weitere Pfeiler der Zukunfts­ausrichtung?

Handel braucht Flexibilität, und wir müssen auf den sich verändernden Markt reagieren. Ich sehe einen großen Trend zum Thema Gebrauchtgeschäft, und das muss man seriös machen. Wir waren hier ja mit die ersten Player und haben viele Erfahrungen gesammelt.

„Ich bin nicht sicher, ob der klassische Multibrand-Store die Zukunft ist.“

Generell sehe ich auch, dass es zu mehr Diversifikation im Handel kommen wird. Es wird verschiedene Formen von Kooperationen geben. Wir haben ja zum Beispiel ein Joint Venture mit Audemars Piguet. Es gibt Kooperationen von Marken mit Händlern. Oder Marken, die ihren Weg ohne Händler gehen. Das Spektrum wird vielfältiger.

Und der klassische Juwelier?

Ob der klassische Multibrand-Store mit 32 Marken unter einem Dach – von günstig bis Patek Philippe – die Zukunft ist, da bin ich mir nicht so sicher. Und zwar gar nicht aus meiner Sicht, sondern aus Kundensicht. Ich kenne Kunden, die suchen ­einen Tag eine passende Uhr zum Angeln, die robust sein soll und freizeittauglich. Und da sind sie mit einer Casio G-Shock vielleicht genau richtig aufgehoben. Aber derselbe Kunde sucht am nächsten Tag ein Geschenk für seine Frau und geht zum klassischen Juwelier. Dann wieder sucht er eine Patek Philippe und geht in einen Monobrand-Store.

Und da ist halt die Frage, muss neben der Casio dann tatsächlich auch ein Einkaräter liegen oder muss neben der Patek eine Casio liegen?

Ich glaube, das ist nicht so. Das heißt, es werden neue Konzepte im Handel ausprobiert werden. Und unser Ziel dabei ist eigentlich, das Ganze aus der Kundensicht zu denken. Wir wollen den Kunden vollständig begleiten – von frühester Jugend bis zu seiner Sammelleidenschaft im Alter. Wir wollen ihn richtig abholen, aber natürlich auch überall eine Auswahl bieten, damit er entscheiden kann. Generell scheint es mir wichtig, die Zukunft des Handels vom Endkunden her zu denken.

Das heißt, die Märkte verändern sich aktuell stark?

Generell muss man feststellen, dass die Märkte sich sehr stark verändern. Aber das ist nicht nur aktuell so. In den 37 Jahren, in denen ich jetzt dabei bin, habe ich schon komplett unterschiedliche Märkte gesehen. Wir hatten jetzt für einige Jahre den Corona-Markt, der für uns sehr leicht war. Der ändert sich jetzt wieder. Es wird anspruchsvoller.

Aber der Markt von 2000 bis 2020 war ja auch ein komplett anderer. Ich erinnere mich auch noch an den Markt der 90er-Jahre, der wieder ein komplett anderer war. Da war noch Korpussilber ein großes Thema. Und wir haben damals, als ich in die Firma eingetreten bin, in großem Umfang Korallenschmuck verkauft. Das kann man sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen. Perle war ein Riesenthema.

Kommt Perle nicht eigentlich gerade wieder als Thema?

Perle kommt, aber in einer ganz anderen Inszenierung. Und zwar quer durch alle Preisklassen. Von ganz klassisch bis hochmodisch als Accessoire. Gern auch kombiniert mit Stoffen, die gar nicht klassisch aus dem Juwelierbereich kommen. Also mit Leder, Stoff, Titan. Es ist sozusagen ein emotionaler Ausdruck deines Styles. Und hier kann ich auch nur sagen, da ist auch das Thema Männer wieder interessant. Weil auch im Thema Männerschmuck Perle natürlich eine Rolle spielt. Generell kann man sagen, alles kommt immer wieder. Nur eben in anderem Aufzug.

„Luxus heute ist mehr benutzen als besitzen.“

Wie entwickelt sich der Luxusmarkt heute? Weg vom Bling-Bling?

Wenn man über den Luxusmarkt spricht, sollte man Folgendes bedenken. In den letzten 20 Jahren hat sich hier vieles verändert. Ich war von meinem Lebensstil, von meinen Gedanken viel näher bei meinem Vater und Großvater, als meine Töchter, die jetzt in den 20ern sind, es bei mir sind. Die jungen Leute von heute sind einem Portfolio von Ablenkungen, medialen Ablenkungen ausgesetzt. Das ist früher so nicht gegangen. Früher waren die Luxusinsignien: der Pelz, der Mercedes und vielleicht der Einkaräter.

Es ist bei Weitem nicht so viel gereist worden. Mittlerweile hat sich der Luxus dahingehend geändert, dass es darum geht, dass wir mehr benutzen als besitzen. Und das heißt ja auch, die Leute fliegen heute spontan nach Amerika, nach Asien, nach Bali, während man früher höchstens einmal im Leben eine Weltreise gemacht hat. Luxus heute wird benutzt, nicht mehr besessen. Und gleichzeitig kommt es natürlich immer noch auf die Erreichbarkeit an.

Was meinen Sie mit Erreichbarkeit?

Erreichbarkeit jetzt nicht nur im Sinne von: Es muss in meiner Nähe erreichbar sein. Sondern auch: Ist das Produkt überhaupt verfügbar? ­Gewisse Uhren sind das zum Teil nicht. Und das ist ja auch der Punkt sozusagen, mit dem dieses Gespräch startete: Wenn etwas rar ist, wächst der Trend zum Gebrauchtmarkt. Ich bin ja als Händler eigentlich eine Krämerseele, die jedem Menschen auf der Welt etwas verkaufen möchte. Er muss nur bezahlen und damit gut und pfleglich und ethisch umgehen.

Wie blicken Sie in die Zukunft?

Wie mein Opa schon immer gesagt hat, Handel ist Wandel. Und unsere Aufgabe als Unternehmer ist, sich darauf einzustellen. Und letztendlich wird es der Kunde und der Markt entscheiden. Die Branche verändert sich also. Und es ist sicherlich so, dass durch die erfolgreichen Jahre – wie sage ich das jetzt am besten – es in der Branche eine schöne Verlockung war, wenn man nicht mehr der Arbeit nachgehen musste, als unbedingt nötig war. Aber es ist nun der Punkt, dass wir unsere Geschäftsmodelle alle überdenken und auch verändern müssen. Veränderung ist nichts als Sanierung. Und am besten sollte man diese Sanierung machen, wenn es gut geht. Denn wenn man saniert, wenn man eh schon mit dem Rücken zur Wand steht, dann ist es halt oft zu spät.

Interview: Christian Jürgens; Foto: Marcus Krueger

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