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Material des Monats
Polyethylen
Der weltweit mit Abstand am häufigsten verwendete Kunststoff wird in erster Linie für Verpackungen verwendet. Polyethylen zeichnet sich durch eine hohe chemische Beständigkeit und gute elektrische Isolationsfähigkeit aus, wohingegen die mechanischen Eigenschaften (Elastizität, Reißzähigkeit, Dauerfestigkeit, Schmelztemperatur et cetera) nur als mäßig zu bezeichnen sind. Das Material wurde übrigens 1898 zufällig von dem deutschen Chemiker Hans von Pechstein entdeckt, die erste industrielle Produktion folgte im Jahr 1939.
Das Material, das Alena Willroth zu superzarten Schmuckgebilden verarbeitet, ermöglicht ihr zwar eine große grafische Freiheit, erfordert jedoch auch ihre ganze Konzentration: Es sind handelsübliche Polyethylen-Folien, welche die gebürtige Tschechin und Wahlberlinerin seit 2013 verwendet. Die Arbeiten eines befreundeten Künstlers, der Plastiktüten und Verpackungen recycelte und daraus Schmuck herstellte, inspirierten sie dazu und sie entwickelte ihre eigene Verarbeitungstechnik.
Ihre handgezeichneten Entwürfe überträgt Alena Willroth zunächst auf die Folien. „Anschließend schneide ich die Formen mit dem Skalpell aus den geschichteten Folien aus“, berichtet sie. Und hier wird’s schwierig, denn „jeder Fehler ist fatal. Wenn ich mich verschneide, muss ich wieder ganz neu anfangen. Das kann Stunden ,verlorener‘ Arbeit be-deu-ten“, sagt die Mode- und Textilgestalterin. Zuletzt wird der Schmuck in der Thermopresse behandelt. Was für Alena Willroth den besonderen Reiz des Materials ausmacht? „Die Fo-lien lassen sich gut bearbeiten und machen zu Beginn des Prozesses „ohne jeglichen Widerstand alles mit“, sagt sie. Zudem finde sie die Idee sehr reizvoll, dem allgegenwärtigen Alltagsmaterial durch Imagination und handwerkliche Arbeit eine neue Wertigkeit und Form zu geben. Gerade die finale Wärmebehandlung ist ein sehr dynamischer Prozess, der großen Einfluss auf die Endform nimmt. „Die Herausforderung besteht darin, mögliche -Änderungen schon beim Entwurf vorauszu-sehen und sie miteinzubeziehen. Das Ergebnis ist dann trotzdem noch immer eine Überraschung, eine gute oder eine schlechte!“
Und obwohl der zarte Schmuck leicht ist und sehr fragil wirkt, ist er belastbar und bleibt mit etwas Sorgfalt lange schön. Alena Willroths Tipp für Trägerinnen: „Schwere Mäntel sollte man nicht unbedingt über dem Halsschmuck zu tragen, diese Belastung kann zu Rissen führen.“
Text: Christel Trimborn
Polyethylen

Halsschmuck aus der Kollektion „Slast“ (tschechisch: Wonne) von Alena Willroth, gefertigt aus Polyethylen-Folien