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Junge Konsumenten ticken beim Thema Marken anders als ihre Eltern. Statt Prestige und Sicherheit suchen sie Nachhaltigkeit und Erlebnis. Den großen Labels stehen harte Zeiten bevor.
„Generation Z bringt große Marken in Bedrängnis“, titelte Ende April das Magazin „Wirtschaftswoche“. Laut der Studie „Meaningful Brands“ der Agentur Havas könnten 77 Prozent der Marken sang und klanglos verschwinden. Und: Niemand würde sie vermissen, da sie für die jungen Zielgruppen offenbar komplett verzichtbar sind. Handel und Konsumenten verlieren zunehmend den Glauben an die Kraft großer Labels – sie suchen lieber nach regionalen, kleinen, liebevoll gepflegten Nischenanbietern.
Über die klassischen Medien kaum erreichbar
So weit, so schlecht. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Über die klassischen Medien sind die jungen Konsumenten heute kaum noch zu erreichen. Denn die nach 1995 Geborenen lesen selten Zeitung oder schauen TV. Sie informieren sich vornehmlich übers Internet, die sozialen Medien und lassen sich von Netflix, Amazon Prime oder Maxdome unterhalten. Viele Konzerne, auch aus der Luxusgüterbranche, versuchen daher direkt mit den Konsumenten zu kommunizieren und haben kräftig in digitale Medien investiert. Die persönliche Ansprache allein reicht allerdings nicht. Sie muss auch au-
thentisch sein und keine Märchenwelten aufbauen – denn die werden schnell durchschaut. Der Markenexperte und Trendbüro-Gründer Peter Wippermann sagte in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“: „Hier muss Substanz vorhanden sein, die eine Marke glaubwürdig macht. Der Kunde will wissen: Wer steht hinter dieser Marke? Wofür steht diese Marke innerhalb der Gesellschaft und wie passt sie zu meiner Vorstellung von einem Leben, wie ich es führen möchte?“ Daher geht es in der Kommunikation darum, ehrliche Gefühle zu zeigen, ehrliches Vertrauen zu stiften, kurz, die Marke ehrlich zu führen. Dieses Vertrauen muss immer wieder erneuert werden. Denn die Generation YZ hinterfragt alles. Schöne Bilderwelten, Botschaften im Komparativ oder gar Superlativ ohne nachweisbaren Beleg funktionieren nicht. Luxusgüterkonzerne, die ihre Ware in Fernost oder der Türkei billig fertigen lassen, aber hierzulande als Premiumprodukte feilbieten, haben ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Markenloyalität nimmt ab
Harvard-Professorin Youngme Moon sieht einen weiteren Knackpunkt: „Die Markenloyalität hat mittel- bis langfristig ausgedient. Informations-Overload und Hyperwettbewerb führen dazu, dass der Verbraucher den Wald nicht mehr vor lauter Bäumen sieht.“ Junge Konsumenten entscheiden pragmatisch und opportunistisch. Eine Folge: Traditionelle Anbieter konkurrieren plötzlich mit branchenfremden Herstellern wie das etwa im Uhrenbereich bei den Smartwatches der Fall ist. Apple, Garmin und Samsung haben hier die Nase vorn. Die Fossil Group bekam dies unter anderem zu spüren und musste nach deutlichen Umsatzeinbrüchen Mitarbeiter entlassen, obwohl man kräftig in die neue Technologie investiert und ein gutes Produktportfolio in dem Wachstumssegment aufgebaut hatte.
„Neo Luxus“ setzt auf Nachhaltigkeit
Das Thema Nachhaltigkeit ist ein weiterer Aspekt. Eine Studie vom Münchener Beratungsunternehmen und Think Tank Inlux, Veranstalter des „Luxury Business Day“, teilt die Geschichte der Luxusgüterwirtschaft in drei Evolutionsstufen ein: Die erste wird als „Old Luxury“ bezeichnet: Das Besitzen von Luxusgegenständen steht hier im Vordergrund. Die zweite Entwicklungsstufe der Branche, nämlich der Trend zu erfahrbaren Luxuskonzepten, die eine besondere Form von Erleben vermitteln, wird als „New Luxury“ beschrieben. Die nächste Stufe der Evolutionsgeschichte der Luxusbranche betiteln die Verfasser als „Neo Luxury“: Durch die Millennials findet ein Wertewandel statt. Der reine Konsum von Luxusgütern wird hinterfragt. Der Umgang mit Luxus muss mit Sinn behaftet sein und sich an Werten wie Ressourcenschonung und Achtsamkeit orientieren. Und das hat Konsequenzen: Laut der Untersuchung setzen mittlerweile 65 Prozent der befragten Top-Entscheider auf „Neo Luxus“.
Text: Axel Henselder
Illustration: Sascha Düwel