Corona verlangt Kreativität und Flexibilität

Das Messewesen ist nicht erst seit Corona im Umbruch. Christoph Keilmann, Geschäftsführer der Gemworld Munich, erläutert im GZ-Interview seine Strategien.

„Jetzt ist nicht die Zeit für Experimente. Der Markt braucht klare Perspektiven.“ - Christoph Keilmann

Die Messen wurden weltweit bis in den Sommer hinein abgesagt. Was erwarten Sie für den Herbst?

Christoph Keilmann: Es ist natürlich immer schwierig, zum jetzigen Zeitpunkt Voraussagen für die Zukunft zu treffen, aber ich denke eher nicht, dass wir vor 2021 wieder Messen erleben werden, wie wir sie bislang kennen. Das hängt meiner Meinung nach aber nicht nur mit den Veranstaltungsverboten und den organisatorischen Herausforderungen einer derzeitigen Veranstaltungsplanung zusammen.

Welchen anderen Grund sehen Sie?
Es geht auch um die Betrachtung der Gesamtsituation. Messen sind ja kein Selbstzweck, sondern dienen als Schaufenster und als Treffpunkt von Angebot und Nachfrage. Das Coronavirus und die damit verbundenen Maßnahmen haben auch im Schmuckmarkt – von Produktionsstopps über unterbrochene Lieferketten und geschlossene Fachhandelsgeschäfte bis hin zu verunsicherten Verbrauchern – für eine Vollbremsung gesorgt, deren Auflösung Zeit braucht. Nach den jetzt erfolgten Lockerungen werden vermutlich viele Einzelhändler abwarten, wie sich die Geschäfte entwickeln und Lagerbestände sukzessive auflösen, bevor sie neue Ware einkaufen. Zudem könnten Reisebeschränkungen und Quarantäneregelungen auch im Herbst noch für internationale Aussteller und Besucher ein großes Hindernis sein. Demgegenüber steht der verständliche Wunsch von Herstellern und Großhändlern, rasch wieder ihre Kunden auf Messen zu treffen und ihre Kollektionen zu präsentieren.

Was bedeutet das dann konkret für die Durchführung von Messen?
Für mich stellt sich nicht nur die Frage, welche Messen sich im Herbst organisatorisch durchführen lassen, sondern welche Plattformen der Markt verlangt. Die Prognosen für die Bereitstellung eines Impfstoffs beziehen sich aktuell auf Ende 2020, Anfang 2021, sodass wir weiterhin mit strengen Abstands- und Hygienevorschriften rechnen müssen. Ich kann mir vorstellen, dass Messen unter sehr strengen Auflagen wieder möglich sein werden, aber wir sollten nicht mit zu hohen Erwartungen in das zweite Halbjahr gehen, sondern uns darauf konzentrieren, den Austausch und die persönlichen Kontakte an sich wieder zu ermöglichen.

Findet die Gemworld also wie geplant statt?
Natürlich müssen auch wir unsere Planungen an die aktuelle Situation anpassen. Normalerweise beginnen wir im Mai mit der Ausstellereinteilung und technischen Planung. Aufgrund der aktuellen Unsicherheit ist das aber weder für uns noch für viele Aussteller möglich. Daher haben wir zunächst ein paar grundlegende Entscheidungen getroffen. Die wichtigste zuerst: Wir werden alles daran setzen, die Gemworld Munich Ende Oktober stattfinden zu lassen, sofern die behördliche Erlaubnis erteilt wird. Die Optionen einer vorzeitigen Absage, einer Verlegung des Termins oder einer virtuellen Messe haben wir diskutiert und verworfen. Eine Verschiebung im ohnehin engen Messekalender würde nur zu Kollisionen und Verunsicherung bei Ausstellern und Besuchern führen. Jetzt ist nicht die Zeit für Experimente – der Markt braucht klare Perspektiven und funktionierende Plattformen.  Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Flexibilität. Wir müssen unsere Planungen an die jeweilige Situation und die damit verbundenen Vorgaben anpassen. Daher werden wir sowohl uns als auch den Ausstellern mehr Zeit für Entscheidungen geben. Für unsere Aussteller bedeutet das konkret, dass wir den Anmeldeschluss zunächst bis Ende Juni verlängert haben. Gleichzeitig räumen wir bereits angemeldeten Ausstellern die Möglichkeit ein, ihre Standbestellungen zu ändern oder kostenfrei zu stornieren. Aber auch zum jetzigen Zeitpunkt muss uns allen klar sein, dass die Gemworld 2020 anders aussehen wird als gewohnt. Unser Fokus liegt darauf, alle Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Aussteller und Kunden sich in München treffen können. Das betrifft physische Maßnahmen vor Ort, um Abstände und Hygieneregeln einzuhalten – hier sind wir in engen Absprachen mit der Messe München – aber auch die Hallenstruktur und Besucherregistrierung, welche an die besonderen Umstände angepasst werden müssen. Ein Rahmenprogramm und viele individuelle Services können nach Bedarf nur ergänzend stattfinden, wenn die wesentlichen Bedingungen für einen erfolgreichen Marktplatz gegeben sind. Über den aktuellen Stand der Planung sind wir im Austausch mit unseren Ausstellern und informieren auch die Besucher regelmäßig über unsere Website www.gemworldmunich.com sowie über die sozialen Medien.

Welche Auswirkungen hat Corona Ihrer Meinung nach langfristig – werden Messen in ihrer Bedeutung verlieren, Stichwort „Baselworld“ und der Rückzug von Rolex?
Geschäftsmodelle werden sich in den kommenden sechs bis zwölf Monaten zwangsläufig an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Sobald das Virus aber beherrschbar wird, kehren auch die Großveranstaltungen zurück, davon bin ich überzeugt. Die Frage ist eher, worauf Messen zukünftig ihren Schwerpunkt legen. 

Wie meinen Sie das?
Corona wirkt aktuell lediglich als Katalysator in einer Situation, die schon vorher schwierig war. Der Markt als solcher hat sich verändert, dabei wird die Konzentration auf den Fachhandel als Multiplikator aber selten in Frage gestellt. Große Marken ziehen sich von Messen zurück oder eröffnen zumindest parallele Kanäle, weil sie den Kontakt mit dem Endkunden suchen – und zwar nicht, um dem Handel Geschäft „wegzunehmen“, sondern um ihre Marktanteile zu sichern. Viele Marken aber stehen vor dem Dilemma, dass sie auf den Handel angewiesen sind, ihnen aber die Budgets für den eigenen Markenaufbau beim Konsumenten fehlen. Hierin sehe ich einen wesentlichen Ansatzpunkt für Konsumgütermessen, insbesondere in unserer fragmentierten Schmuckbranche. Kunden suchen Produkterlebnis, Vertrauen und wollen ihr Einkaufsrisiko minimieren. Messen können mit ihrer Kapitalkraft für Aufmerksamkeit beim Publikum sorgen und Ausstellern eine attraktive Plattform zur Vermittlung von Markenerlebnissen an Endkunden und zur Steigerung ihrer Markenbekanntheit bieten. Der Fachhändler wiederum kann von neuen Kunden profitieren, wenn er sich als ganzjähriger vertrauensvoller und regionaler Anbieter mit einem attraktiven Sortiment positioniert. Dann greifen alle Rädchen sauber ineinander.

Wie sehen Sie die Gemworld für diese Entwicklungen gerüstet?
Die Munich Show, aus der sich die Gemworld entwickelt hat, ist seit jeher auf Erlebnis ausgerichtet. Anders als reine Fach- beziehungsweise Ordermessen, welche sich ausschließlich an klassischen Handelsfunktionen und Produktlebenszyklen orientieren und ausrichten, bietet die Gemworld darüber hinaus einem breiteren Publikum die Möglichkeit, Schmuck und Edelsteine neu zu erleben. Mit unserem im Jahr 2018 eingeführten Showcase Konzept können Hersteller ihre Marke dem Endverbraucher präsentieren, ohne direkt an diesen zu verkaufen. Möglichst viele Besucher für unsere Branche und die Faszination an echten „Werten“ zu begeistern sowie die Begehrlichkeit nach Schmuck und Edelsteinen zu wecken, ist Teil des Gesamtkonzepts der Gemworld. Und davon profitieren nicht nur unsere Aussteller, sondern letztendlich auch der Fachhandel. Ich sehe die Gemworld daher hervorragend gerüstet für die anspruchsvollen Herausforderungen, vor denen die gesamte Schmuckbranche steht.

www.gemworldmunich.com

 

 

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