| Brennpunkt
Vieles deutete auf ein gutes Weihnachtsgeschäft für Juweliere hin. Die Rahmenbedingungen waren geradezu perfekt. Doch zu Jahresbeginn herrscht in Teilen des Fachhandels Katerstimmung.
Kurz vorm Jahresendspurt war der Optimismus groß beim Branchenverband BVJ. Man erwarte ein gutes Weihnachtsgeschäft, hieß es Ende November angesichts der hervorragenden Wirtschaftslage und der Prognose, die der Dachverband HDE für den gesamten Einzelhandel vorgelegt hatte: drei Prozent Umsatzsteigerung im Weihnachtsgeschäft auf beachtliche 94,5 Milliarden Euro. Das achte Umsatzplus in Folge, dank der anhaltend hohen Konsumbereitschaft in Deutschland. Ein wahres Fest für den Handel – für einige, nicht für alle. Doch noch an Heiligabend musste der HDE Wasser in den selbst ausgeschenkten Wein gießen. Die Erwartungen vieler kleiner Händler und Mittelständler hätten sich nicht erfüllt, trotz etwas erhöhter Kundenfrequenzen, teilte der Verband mit. Eine Trendumfrage des BVJ bestätigte dieses Bild auch für die Branche. Eine der Ursachen: der deutlich gewachsene Online-Handel. Größere Unternehmen dagegen waren laut HDE durchweg zufriedener mit dem Weihnachtsgeschäft.
Immer erst im Januar allerdings, dem Monat der Gutschein-Einlösungen, Umtausche und Rückgaben, kristallisiert sich langsam heraus, wie es wirklich lief am Jahresende. „Wir haben noch kein einheitliches Bild“, sagt BVJ-Geschäftsführer Joachim Dünkelmann zwar. Jedoch zeige sich, dass ein besseres Geschäft hatte, wer werblich aktiv war. „Die Marken treiben die Kunden nicht mehr automatisch in die Läden“, so Dünkelmann. Und der Trend des schwächelnden Modeschmucks halte weiter an, ganz im Gegensatz zum hochwertigen Bereich.
Stückzahlen sind massiv eingebrochen
Tatsächlich lief das Weihnachtsgeschäft im Luxusbereich gut, im Schmucksegment von Richemont sogar glänzend. Der Schweizer Konzern machte im letzten Quartal des Jahres 2017 elf Prozent mehr Umsatz mit Schmuck. Und obwohl das Uhrensegment von Richemont stagnierte, ging es mit der Schweizer Uhrenindustrie insgesamt wieder deutlich aufwärts. Doch das Wachstum verdanken die Luxuskonzerne vor allem den gesteigerten Exporten nach Asien. Wieder einmal.
Von einem derartigen Aufwind spürt man im deutschen Fachhandel wenig. In einer Händlerumfrage des „Diamantbericht“ sagten 42 Prozent der Befragten, das Weihnachtsgeschäft sei schlecht gelaufen (14 Prozent „sehr gut“, 44 Prozent „gut“). Eine relative Mehrheit von 40 Prozent gab außerdem an, schlechtere Umsätze als 2016 verbucht zu haben.
Viele Fachhändler der Schmuck- und Uhrenbranche, von der GZ nach ihren Weihnachtsverkäufen befragt, stimmen in den Chor der Enttäuschten ein, sowohl im urbanen als auch im ländlichen Raum. „Es lief nicht zufriedenstellend“, so Wolfgang Klisch, der zwei Juweliergeschäfte in den fränkischen Städten Weißenburg und Lauf an der Pegnitz betreibt und seine Schwerpunkte im unteren und mittleren Preissegment hat. „Seit 2013 ist es bei uns jedes Jahr schlechter geworden“, sagt er. Die Stückzahlen seien massiv eingebrochen. Anders als noch vor einigen Jahren bringe der Dezember nur noch den 1,5-fachen Umsatz eines Durchschnittsmonats. Klisch: „Gerettet hat uns die gute Auftragslage im Service- und Werkstattbereich.“ Diesen Teil des Geschäfts stärke er seit einigen Jahren durch bewusste Umstrukturierungen auch auf Personalseite.
Juwelier Kai Behrendt aus Flensburg hat sich gerade erst seine Verkaufszahlen angeschaut und mit dem Vorjahr verglichen. Auch er spricht von einem schwachen Geschäft in der Adventszeit. Anfangs. Denn: „Es hat sich zum Schluss etwas relativiert“, sagt er. Gegenüber 2016 habe es insgesamt ein leichtes Minus gegeben. Behrendt glaubt, es habe an der Konstellation der Tage gelegen, am Zusammenfallen von viertem Advent und Heiligabend, was dem Handel ein verhältnismäßig kurzes Weihnachtsgeschäft beschert hat. Behrendt: „Beim Markenschmuck hatten wir erhebliche Einbußen, Echtschmuck ist deutlich besser gelaufen.“
„Wir hatten deutlich weniger Kunden im Geschäft“, sagt auch Luxus-Juwelier Georg Leicht, der Standorte unter anderem in Berlin, München, Dresden und Hamburg betreibt. In den Vorjahren habe es noch deutlich mehr Last-Minute-Käufe gegeben. „Das hat ganz merklich abgenommen“, sagt Leicht. Allerdings bereiteten er und seine Mitarbeiter das Weihnachtsgeschäft mit exklusiven Events an den Adventssonntagen vor, was deutlich zur Entzerrung beitrage und gut funktioniere. „Allgemein lässt sich feststellen, dass sich der Druck, an Weihnachten zu schenken, abgeschwächt hat“, sagt der Pforzheimer Juwelier. Die Leute würden übers Jahr verteilt viele Anlässe für Präsente nutzen. Davon lasse sich profitieren. Leicht: „Es ist besser, nicht auf die Jahresend-Rallye angewiesen zu sein.“
Publikum hat sich verändert
Von regelrecht desaströsen Umsätzen berichtet Wili Turac von Juwelier Gabriel in Berlin. „Es hat praktisch kein Weihnachtsgeschäft gegeben, abgesehen von den letzten zwei Tagen“, sagt er. Schon seit zwei Jahren laufe es so enttäuschend. „Aber dieses Mal war es extrem.“ Und das, obwohl das Geschäft in der hochfrequentierten Schlossstraße im Stadtteil Steglitz liegt, einer der traditionsreichsten Einkaufsmeilen im Berliner Westen. Turac spricht von einer Veränderung des Publikums durch die Ansiedlung billiger Textil-Filialisten wie Primark, von älteren Kunden, die sich nicht mehr trauten, hochwertigen Schmuck in der Öffentlichkeit zu tragen, von Modeschmuck, der nicht mehr ziehe. Und von der immens großen Konkurrenz, die Uhren- und Schmuckservice zu Dumpingpreisen anbiete. „Was das angeht, ist der Markt in Berlin übersättigt“, sagt Turac. Wenn der Nachbar den Batteriewechsel für drei Euro anbiete, könne man nicht mehr mithalten.
Freigabe der Ladenöffnungszeiten?
Die Konkurrenz im Browserfenster aber ist es, die viele Juweliere immer wieder als Hauptursache für schwächelnde Geschäfte nennen. Vieles spricht auch dafür: Laut der GfK-Studie „Weihnachtsgeschäft 2017“ planten 32 Prozent der Schmuck- und Uhrenkäufer, ihre Geschenke aus dem Juwelierssortiment online statt im stationären Fachhandel zu erstehen, immerhin sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Die wachsende Bedeutung des Onlinehandels vor allem in der Weihnachtszeit, in der viele Verbraucher die überfüllten Einkaufsstraßen bewusst meiden, bekommen auch andere Fachhändler zu spüren. Insgesamt, so die Vorhersage des HDE, sollte der vorweihnachtliche Internethandel erneut um zehn Prozent wachsen.
Solche Zahlen alarmieren auch die großen Player – und dienen als Argument für eine Forderung, über die im vergangenen Jahr wieder lautstark diskutiert wurde: eine weitere Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten, vor allem mit Blick auf den Sonntag. Angesichts des nur zäh anlaufenden Weihnachtsgeschäfts hatte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser im Dezember erneut für mehr verkaufsoffene Sonntage geworben, auch als essenzielles Hilfsmittel im Wettstreit mit dem Internethandel. Doch wem hilft diese Deregulierung am Ende wirklich? Nur den großen Händlern, wie beispielsweise der Chef des Kölner Handelsforschungsinstituts IFH, Kai Hudetz, während der Debatte im vergangenen Sommer äußerte? Oder allen, weil jeder Händler für sich frei entscheiden könnte? So sehen es die Großen wie Karstadt und Galeria Kaufhof, die sich für eine völlige Freigabe der Ladenöffnungszeiten, auch am Sonntag, einsetzen. Dazwischen positioniert sich der Handelsverband, der bundesweit einheitlich zehn verkaufsoffene Sonntage ohne Anlassbezug vorgeschlagen hat. „Das ist nicht in Stein gemeißelt“, sagt HDE-Sprecher Stefan Hertel. „Aber die Händler brauchen Rechtssicherheit.“ Die Sonntagsöffnung sei nicht die Lösung aller Probleme des stationären Handels, jedoch ein Mosaikstein im Bündel vieler Maßnahmen.
Service bringt Kunden ins Geschäft
Wie geht es im neuen Geschäftsjahr weiter? „Wir werden genau auf die Markenpräsenz schauen und das Warenlager straff halten“, sagt Kai Behrendt aus Flensburg. Zudem gelte es einmal mehr, auf guten Service zu setzen. „Darüber findet man neue Kunden, das bringt die Kunden ins Geschäft“, so Behrendt. Das sieht Wolfgang Klisch aus Franken genauso. Er hat den Werkstatt- und Serviceanteil am Gesamtumsatz seiner Geschäfte innerhalb von drei Jahren bereits von rund zehn auf knapp 40 Prozent erhöht, das verringere auch die Abhängigkeit vom Weihnachtsgeschäft. Nun will er zusätzlich Restauration anbieten. Durch den Wegfall der meisten Trendmarken, unter anderem aus dem Swatch-Konzern, habe er 20 Prozent weniger Umsatz, dafür aber einen dreifach höheren Ertrag und keinen „Konzerndruck“, wie er sagt. „Wir werden dieses Jahr noch stärker individuelle, fachhandelstreue Marken wie Casio, Seiko und Michel Herbelin in der Preislage zwischen 70 und 350 Euro forcieren“, sagt Klisch. Das gelte auch für seine beiden Uhren-Eigenmarken „Klisch 1949“ und „#watchgermany“ – für die nicht nur „Made in Germany“ sondern sogar „Hergestellt in der Region“ gelte.
Text Sebastian Höhn
Illustration Nadine Pfeifer