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Bild oben: Gold und Diamanten in Bärenlaune: Die Rohstoffmärkte der Schmuckindustrie werden zunehmend zum Spielball der Investoren

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Rohstoffkrise

Die Branchen der Rohstoffkrise

Der Stoff, aus dem Schmuckträume sind, verliert immer mehr an Wert. Die Preise für Gold und Diamanten befinden sich auf Talfahrt. Viele Rohstoffe werden immer mehr zum Spielball von Investoren. Die Folge: Minengesellschaften geraten in Not.
Nimmt man den Goldpreis als Indikator, so ist der Zustand der Weltwirtschaft gesünder denn je zuvor. Denn vor allem in Krisenzeiten flüchten die Anleger in den sicheren Hafen der Edelmetalle, sollen diese doch vor dem Währungsverfall schützen. Euro- und Griechenland-Krise, die Politik des billigen Geldes der Zentralbanken der westlichen Industrieländer, das Schwächeln der Schwellenländer China, Russland, Brasilien und die viel zu langsame Konjunkturerholung in den USA und Europa scheinen vergessen. Plötzlich drängt scheinbar alles aus dem Gold. „Die Kulisse verfällt“, sagt UBS-Analyst Tom Price. Zwar hat sich nach dem aus heiterem Himmel gekommenen Flashcrash im Juli der Preis von seinem Fünf-Jahre-Tief von 1082 US-Dollar je Feinunze wieder erholt. Doch weiterhin liegt er mit unter 1200 US-Dollar weit entfernt von den Höchstständen von 1900 US-Dollar im Jahr 2011, als die Finanz- und Schuldenkrise ihren Höhepunkt erreichte.

„Das Marktvolumen von

geschliffener Ware ist von vormals 24 Mrd. US-Dollar im Jahr auf heute 16 bis 18 Mrd. gesunken."

— Eitan Gul, Geschäftsführer der Pforzheimer Firma A. Gul —

GOLDPREIS AUF ACHTERBAHNFAHRT

Warum spielt der Goldpreis verrückt? Marktbeobachter sehen hier vor allem Spekulanten am Werk, die mit Papiergold, also Indexfonds oder Optionen, spielen. „Die physische Nachfrage nach Gold ist relativ ungebremst“, sagt Dominik Lochmann, Geschäftsführer der Scheideanstalt ESG Edelmetalle aus Rheinstetten. Die Degussa Goldhandel verzeichnete in Deutschland in den ersten Monaten des Jahres 30 bis 50 Prozent mehr Absatz als im Vorjahr. Während der Verhandlungen mit Griechenland im Sommer zogen die Verkäufe noch einmal in derselben Größenordnung an. Auch in den USA laufen Münzen und Barren zurzeit glänzend.

Eine andere Vermutung war, dass nach dem Börsencrash in China viele Anleger, die auf Pump gekauft hatten, ihre Goldbestände abstoßen mussten, um ihre Kreditgeber zu besänftigen. Tatsächlich wurden in Schanghai an einem Tag im Juli allein 33 Tonnen Gold auf den Markt geworfen – mehr als das Dreifache der täglichen Minenproduktion weltweit. Fast zeitgleich kamen in New York 24 Tonnen Gold an den Warenterminbörsen auf den Markt.

Auch wenn die physische Nachfrage nach Gold nachgegeben hat, kann das nicht die hohen Ausschläge bei den Notierungen erklären. Quelle: Finanzen.net

VERDACHT AUF KURSMANIPULATIONEN

Angesichts der erratischen Kursbewegungen mutmaßen Edelmetallexperten ein interessengesteuertes Spiel bestimmter Marktteilnehmer. Insbesondere mit Leerverkäufen drücken Investoren die Kurse. Sie besitzen dabei kein eigenes Gold, sondern verkaufen ein Versprechen in der Zukunft. Wenn sie den Kontrakt erfüllen müssen, können sie das Metall billig kaufen und kassieren die Differenz.

Dass es beim Gold nicht mit rechten Dingen zugeht, ist auch Gegenstand zahlreicher Verschwörungstheorien. So sollen die Zentralbanken an allzu hohen Notierungen des Edelmetalls wenig interessiert sein. Sie befürchten, dass angesichts von Geldschwemme und Nullzinsen keiner mehr dem Papiergeld vertraut. Wegen des Verdachts von Kursmanipulationen beim Goldfixing in London gerieten außerdem die Deutsche Bank und andere Geldinstitute ins Visier der Ermittler. Sie sollen sich abgesprochen haben, Kunden Edelmetalle unter Preis abgekauft und dann zu teuer verkauft zu haben. Neben der Deutschen Bank stehen die UBS, Julius Bär, HSBC, Barclays, Morgan Stanley und Mitsui unter Verdacht. Eine abschließende Bewertung liegt noch nicht vor.

Die Stimmung scheint momentan jedenfalls gegen Gold zu sprechen. Die Analysten prognostizieren, dass es für das Edelmetall sogar noch weiter bergab gehen könnte – bis auf 750 Dollar pro Unze, wie es die Deutsche Bank für möglich hält. Die meisten Experten sehen den mittelfristigen Widerstand bei 1100 Dollar. Was die Zukunft fürs Gold bringt, hängt unter anderem auch von der weiteren Zinsentwicklung, insbesondere in den USA, ab. Denn sobald die FED an der Zinsschraube dreht, werden Anleger von Gold in Dollar umschichten. Allerdings spricht die Angebotsseite gegen allzu große Abstürze: Fachleute haben errechnet, dass die Kosten der Goldförderung je nach Mine zwischen 850 und 1250 Dollar je Feinunze liegen. Bei einem Preis von um die 1100 Dollar oder darunter arbeiten etliche Unternehmen defizitär.

Die Goldnachfrage gab im zweiten Quartal aufgrund der Abkühlung in China deutlich nach. Quelle: World Gold Council / Aug 2015

DIAMANTGESCHÄFT DÜMPELT VOR SICH HIN

Ein weiterer wichtiger Schmuckrohstoff sind Diamanten, die ebenfalls nicht mehr aus der Abwärtsspirale herauskommen. Die Preise für geschliffene Diamanten waren laut dem jüngsten Rapaport-Newsletter im August weiter verhalten. Weniger Händler kauften den König der Edelsteine zur Lageraufstockung. Auch diejenigen mit Geld warteten auf niedrigere Preise. Der Einbruch der Aktienmärkte in Fernost wirkte sich negativ auf die Stimmung aus, zumal sich die Aussichten für den Luxusmarkt aufgrund der schrumpfenden Aktionärsvermögen der Asiaten vermindert haben. Der Pforzheimer Diamanthändler Eitan Gul meint: „Angebot und Nachfrage passen seit einiger Zeit nicht mehr zusammen. Wir haben einen Rückgang der Diamantschmuckverkäufe von 30 Prozent in China. In Russland sieht es nicht besser aus.

Wir schätzen, dass das Marktvolumen von geschliffener Ware von vormals 24 Milliarden US-Dollar im Jahr auf heute 16 bis 18 Milliarden gesunken ist. Die Produzenten haben bis vor Kurzem auf diese Entwicklung nicht reagiert und die gleiche Menge Rohmaterial zu den alten, hohen Preisen auf den Markt gebracht. Erst im Juli/August fingen die Rohsteinlieferanten an, das Angebot zu begrenzen.“

ROHSTEIN-NACHFRAGE BLEIBT VERHALTEN

Die Rohstein-Nachfrage blieb trotzdem verhalten – auch nachdem De Beers die Preise um schätzungsweise zehn Prozent auf seiner Sicht im August gesenkt hatte. Die Preise werden weiterhin als zu hoch angesehen und die Schleifereien müssen nach wie vor kämpfen, um einen Gewinn zu machen. Jochen Müller, Präsident der Diamant- und Edelsteinbörse Idar-Oberstein: „Rohware ist teurer als geschliffene Ware, und das – von Ausschlägen abgesehen – seit 2009. Von der Juli-Sicht sind bei De Beers und Alrosa bis zu 60 Prozent des Volumens zurückgegeben oder zur späteren Abnahme verschoben worden. Es war für die Minengesellschaft der niedrigste Verkauf seit der Finanzkrise 2008/2009. Die Sightholder beklagen seit Langem die fehlende Spanne wegen zu hoher Rohdiamant-Preise.“

Die Diamantminen senken aufgrund der niedrigen Nachfrage die Produktion. Quelle: Rapaport / Sep 2015

DIAMANTFÖRDERUNG WIRD GESENKT

Der RapNet Diamond Index bei der geschliffenen Ware fiel für 1-Karat-Diamanten um 3,7 Prozent in den ersten acht Monaten und um 12,9 Prozent innerhalb eines Jahres zum Stichtag 1. September. Die Nachfrage nach Diamanten von 0,30 bis 0,50 Karat ging vor allem wegen des Lagerüberhangs zurück. Eitan Gul ist jedoch zuversichtlich: „Anfang November beginnt das indische Lichterfest Diwali. Die Schleifereien werden diesmal nicht nur während der Feiertage, sondern länger schließen. Es wird also weniger geschliffene Ware auf den Markt kommen. Ich vermute, im Januar und Februar wird sich der Markt stabilisieren.“ Die großen Bergbauunternehmen haben laut Rapaport jedenfalls ihre Produktionsprognose für das Jahr gesenkt. Der kombinierte Produktionsindex von Alrosa, De Beers, Rio Tinto, Dominion Diamant Corporation und Petra Diamonds Rose zeigt eine geschätzt um fünf Prozent geringere Förderleistung in der ersten Hälfte des Jahres. Es wird erwartet, dass sie um weitere acht Prozent in der zweiten Jahreshälfte zurückgeht. Auf die fünf Bergbauunternehmen entfallen rund 70 Prozent der weltweiten Diamantförderung.

Wie es weitergeht mit den wichtigsten Schmuckrohstoffen hängt auch vom Verlauf des Weihnachtsgeschäfts in den USA sowie der Konjunkturentwicklung in Fernost ab. Doch die Preise werden gerade beim Gold nicht vom realen Geschehen, sondern vor allem von der Psychologie diktiert. Und die lässt sich schwerlich vorhersagen…

Die Preise für Einkaräter verbuchen ein klares Minus. Quelle: Rapaport / Sep 2015

von Axel Henselder, Illustration: Lennart Gäbel

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