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Hannah Lindenthal sucht gerade eine Praxisstation für ihre Ausbildung, Foto: Volker Renner

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Dieser Mangel ist hausgemacht

Brennpunkt Fachkräftemangel

Goldschmieden fehlen Fachkräfte, Interessenten finden dagegen nur schwer einen Ausbildungsplatz. Wie kann das sein?

Das E-Mail-Postfach von Dorothe Parchettka ist mehr als gut gefüllt mit Angeboten und Bewerbungen: Goldschmiede und Juweliere schicken ihre Stellenangebote an sie, in der Hoffnung, sie könne vermitteln oder kenne passende Kandidaten. „Meist werden Goldschmiede- Gesellen gesucht“, berichtet sie. Pro Woche bekomme sie zudem drei, vier Anfragen von jungen Menschen, die Ausbildungsplätze in der Goldschmiedebranche suchen. Dorothe Parchettka, Leiterin der Abteilung Edelmetall am Berufskolleg Ost (BKO) der Stadt Essen, sendet die Gesuche der Firmen an die Prüfungsjahrgänge ihrer Berufsschule weiter und Anfragen nach einem Ausbildungsplatz an die Firmen, die sie in ihrem Verteiler hat. „Ich komme mir ein bisschen vor, als arbeitete ich nebenbei auch für die Arbeitsagentur“, sagt sie.

Den Erfolg ihrer Weiterleitungen kann sie im Fall der Azubis direkt messen: Ein Blick in ihre eigenen Berufsschulklassen reicht. Gerade 20 Goldschmiede- Schüler pro Jahrgang besuchen die traditionsreiche Schule noch. Dabei konnte an der Berufsschule in Köln im Schuljahr 22/23 mangels Azubis keine neue Unterstufenklasse für Goldschmiede eingerichtet werden, neue Auszubildende aus Köln lernen jetzt ebenfalls am BKO Essen in regierungsbezirksübergreifenden Klassen. „Wir haben hier früher einmal vierzügig unterrichtet“, sagt Dorothe Parchettka. „Jetzt bekommen wir gerade so eine Klasse pro Lehrjahr voll.“ Trotz allem stehe man in Essen nicht vor der Schließung, betont sie, so wie es im August 2022 in der GZ zu lesen war. Das wäre für das bevölkerungsreichste Bundesland auch ein Schlag: Neuen Auszubildenden im Goldschmiedehandwerk stehen jetzt in ganz NRW nur noch die beiden Schulstandorte Essen und Münster zur Verfügung.

Ohne Azubis keine Gesellen und Meister – auf diese kurze Formel lässt sich das Fachkräfteproblem bei den Goldschmieden bringen.

Die geringen, rückläufigen Ausbildungszahlen sind kein neues Problem, in Zeiten geringer Arbeitslosigkeit, wie wir sie seit einigen Jahren erleben, wird das Dilemma nur besonders sichtbar. Bisher ist keine Trendumkehr gelungen. In Zahlen des Statistischen Bundesamtes ausgedrückt: Gab es 2009 in bundesweit in Handwerk und Industrie 860 Goldschmiede- Azubis, waren es 2021 noch gerade 497. Oder: Ganze 95 Goldschmiede- Azubis sind 2021 in Handwerksbetrieben ins erste Lehrjahr gestartet, zeigt die Statistik des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Das sind umgerechnet fünf Klassen in Normalstärke im ersten Lehrjahr bundesweit. Von 5633 deutschen Gold- und Silberschmieden bilden ganze 325 aus, also nur 5,7 Prozent. Noch gibt es Hoffnung, dass das vor allem der Unsicherheit rund um Corona geschuldet ist und die Zahlen für 2022 und 2023 wieder besser ausschauen. Es kann aber, das zeigt die Entwicklung der letzten 25 Jahre, auch durchaus tiefer gehen.

„AUSBILDEROFFENSIVE“ DES ZENTRALVERBANDS

Der Zentralverband der Deutschen Goldschmiede und Silberschmiede hat ein Förderprogramm für alle Mitglieder aufgelegt, die 2022 Auszubildende eingestellt haben. Neben verschiedenen finanziellen Förderungen beteiligen sich Flume Technik, Gebrüder Ott, Burger Edelmetalle, AGoSi, Bedra und Boley mit Gutscheinen und Vergünstigungen für Ausbildungsbetrieb und Auszubildende. Gefördert werden aus dem Programm bisher 15 Firmen, die Azubis ausbilden. Ob es sich dabei um zusätzliche Ausbildungsplätze handelt, ist leider nicht bekannt.

Für Zeno Ablass, Goldschmied aus Essen, ist vor allem die 2004 entfallene Meisterpflicht für Goldschmiede ein wichtiger Grund für diese alarmierenden Zahlen. Auch Gesellen ohne Meisterbrief können seitdem Goldschmieden eröffnen. Das war Teil der rot-grünen „Agenda 2010“ mit ihrem In- strument der Ich-AGs. „In der Folge gab es plötzlich sehr viele Soloselbstständige, die aber nicht mehr ausbilden durften und auch nicht konnten.“

Zeno Ablass engagiert sich im Zentralverband der Deutschen Goldschmiede und Silberschmiede dafür, dass die Meisterpflicht wieder eingeführt wird. Ein Anlauf 2019 misslang. Im kommenden Jahr, 2024, soll die Zuordnung nochmals überprüft werden. Der Zentralverband macht sich Hoffnungen, dass die Wiedereinführung funktioniert, indem die Goldund Silberschmiede Eingang in die Liste der „immateriellen Kulturgüter“ der UNESCO finden. Bei anderen Handwerksberufen wie Drechslern oder Orgelbauern war das der Schlüssel, um wieder in die „Anlage A“, die Berufe mit Meisterpflicht, aufgenommen zu werden.

„Wir haben inzwischen eine ganze Generation an Nachwuchs verloren“, sagt Zeno Ablass mit Blick auf die fast 20 Jahre andauernde Diskussion. „Ausbildung heißt, Fertigkeiten und Wissen weiterzugeben. Wer kann heute noch Techniken wie Emaillieren oder Granulieren vermitteln?“ Er selbst ist Goldschmied und Restaurator aus Leidenschaft, er hat in seiner Karriere acht Lehrlinge ausgebildet. Er sagt, er bekomme 70 Bewerbungen, wenn er eine Ausbildungsstelle ausschreibe. „Für viele ist Goldschmied weiter ein Traumberuf. Dieses Potenzial müssen wir einfach besser nutzen.“

Aber wird es ausreichen, wieder mehr Meister zu haben, um die Zukunft der Branche zu sichern? 1998, Deutschland zählte rund 4,2 Millionen Arbeitslose, befanden sich noch 1430 Goldschmiede im Handwerk in Ausbildung, rund dreimal so viele wie heute. 2003, dem letzten Jahr der „Meisterpflicht“, waren es nur noch 1037. Einen Rückgang gibt es also schon deutlich länger, und er hält an. Dass mehr Meister wieder mehr Azubis bedeuten, ist eine Hoffnung, die auch bitter enttäuscht werden kann.

Das Handwerk allgemein hat Probleme, junge Leute für eine Ausbildung zu gewinnen. Seit Jahren gehen die Lehrlingszahlen zurück: von rund 625.000 im Jahr 1998 auf knapp 360.000 im Jahr 2021. Es fehlen deshalb Fachkräfte in so gut wie allen Bereichen. Das Abitur mit anschließendem Studium gilt vielen Eltern als Königsweg für ihre Kinder. Dass der berufspraktische Weg oftmals der geeignetere ist, sehen Berufsschullehrer wie Dorothe Parchettka dann in ihren Klassen: Es gibt nur ganz wenige, die mit 16 Jahren ihre Goldschmiedeausbildung beginnen, die meisten sind 20 oder älter, haben Abitur und meist schon eine andere Ausbildung oder einen Studienversuch hinter sich.

 

„Uns fehlen die Azubis, also sollten wir besser überlegen, wie wir mehr bekommen, anstatt zu überlegen, warum es nicht geht.“

Michael Seubert
Präsident des Zentralverbands der Deutschen Goldschmiede und Silberschmiede

 

Wie kann sich Ausbildung rechnen?

Goldschmiede müssen sich natürlich auch die Frage stellen: Was macht betriebswirtschaftlich Sinn? Niemand wird für einen höheren Zweck wie die „Rettung der Branche“ ausbilden, sondern weil sich ein Lehrling für ihn über kurz oder lang rechnet. Wenn ein Goldschmied mehr Arbeit hat, als er allein bewältigen kann – wen wird er dann zur Unterstützung suchen? Einen Gesellen, der ihm die Arbeit sofort abnehmen kann, oder einen Azubi, dessen Ausbildung Zeit und Geld kostet?

Finanziell gesehen haben sich die Argumente pro Azubi in den letzten Jahren in die negative Richtung entwickelt. Durch die Einführung des Mindestlohns sind auch die Lehrlingsgehälter gestiegen und Auszubildende zum Kostenfaktor geworden. Rund 1040 Euro Lehrlingsgehalt pro Monat sind im ersten Ausbildungsjahr Usus, im dritten 1200. Das ist kein sonderlich großer Abstand mehr zum Einstiegsgehalt nach Ausbildung von 1780 Euro brutto im Monat. Förderprogramme wie die „Ausbilderoffensive“ des Zentralverbands (siehe Kasten) sind dabei nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Und die Frage muss erlaubt sein: Wie attraktiv sind Berufe, bei denen Einsteiger nach 3,5 Jahren Ausbildung gerade mal Mindestlohn erhalten, wenn schon Aldi und Lidl ungelernte Schüler mit 14 Euro Stundenlohn ködern?

Hört man sich unter Goldschmieden um, kommen auch Argumente wie „Wozu ausbilden, wenn der Azubi nach der Lehre in die Industrie oder zu einer Kette geht, die mehr zahlen können als wir?“ – „Was, wenn er erst mal auf Weltreise gehen will und wir ihn nie wiedersehen?“ Oder: „Ich bilde ihn aus, und anschließend macht er sich selbstständig und mir Konkurrenz?“

Michael Seubert, Präsident des Zentralverbands der Goldschmiede und selbst Goldschmied in München, hört diese und viele andere Argumente sehr oft, hat für sie aber wenig Verständnis. „Uns fehlen die Azubis, also sollten wir besser überlegen, wie wir mehr bekommen, anstatt zu überlegen, warum es nicht geht. Wer keinen Azubi finanzieren kann – wie will der einen Gesellen bezahlen?“ Eine Konkurrenz gebe es unter Goldschmieden zudem kaum, weil jeder mit seinem Design, seiner Ausführung eine eigene Klientel anspreche. „Wir fertigen Unikate, jeder steht für sich.“ Nach einem Jahr Ausbildungszeit, sagt er, sei ein Azubi bereits kostenneutral oder mit kleinem Gewinn einsetzbar. Ab dem dritten Lehrjahr bringe er guten Gewinn.


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Was will der Nachwuchs?

Benjamin Pfister, Leiter der Staatlichen Zeichenakademie Hanau, führt einen weiteren Grund an, weshalb viele Goldschmieden nicht mehr ausbilden: Sie hätten sich in den letzten Jahren räumlich verkleinern müssen, wegen Corona, aber auch wegen ständig steigender Mieten. „Viele haben jetzt gar nicht mehr den Platz, um noch einen Lehrling in die Werkstatt setzen zu können.“ Wer ausbildet, muss zudem einen Pausenraum nachweisen, so will es das Gesetz.

Über mangelnde Nachfrage an der Goldschmiedeausbildung seiner Schule kann sich Pfister hingegen nicht beklagen: Die Goldschmiedeklassen sind weiterhin voll, zumindest die der Berufsfachschule, die eine vollschulische Ausbildung anbietet. „Wir haben regelmäßig 130, 140 Bewerber für die 60 Plätze“, sagt er. Schlechter sieht es hingegen bei der dualen Ausbildung aus, die es in Hanau ebenfalls gibt – noch. Denn hier sind die Klassen so klein geworden, dass sie momentan nur mit Sondergenehmigung weiterlaufen und alle Lehrjahre zusammen unterrichtet werden.

Auch Dr. Michael Kiefer, Leiter der Goldschmiedeschule mit Uhrmacherschule in Pforzheim, sieht absolut kein nachlassendes Interesse am Beruf: „Es gibt vielleicht die leichte Tendenz, eher die designorientierte als die rein handwerklich orientierte Ausrichtung zu wählen“, sagt er. „Aber wir haben keine Probleme, unsere Klassen zu füllen.“ Die Besonderheit der Goldschmiedeschule: Nach der grundlegenden Ausbildung an der Schule folgen 1,5 Jahre in einem Unternehmen, um sich für die praktische Gesellenprüfung vorzubereiten. Ist es für die Schüler schwer, eine Praxisstation zu finden? „Nein“, sagt Michael Kiefer. „Unsere schwarzen Bretter mit Stellenangeboten sind übervoll. Viele können aus mehreren Angeboten auswählen oder bekommen gleich bei der ersten Bewerbung eine Zusage.“

 

„Unsere schwarzen Bretter mit Stellenangeboten sind übervoll. Viele können aus mehreren Angeboten auswählen oder bekommen gleich bei der ersten Bewerbung eine Zusage.“

Dr. Michael Kiefer
Leiter der Goldschmiedeschule mit Uhrmacherschule in Pforzheim

 

Ein händeringend Gesuchter, gar Umworbener zu sein, dieses Gefühl hatte Toni-Jakob Seidt, 21, vor seinem Start in das Abenteuer Goldschmiede-Ausbildung nicht wirklich. Er bewarb sich bei verschiedenen Goldschmieden, um seinen Traumberuf zu lernen, allein: „Viele rieten mir dazu, erst mal auf die Goldschmiedeschule in Pforzheim zu gehen und es anschließend noch mal bei ihnen zu probieren.“ Hier lernt er nun seit anderthalb Jahren und führt im Moment Gespräche über seine Praxisstation ab Herbst. Er will bei zwei Goldschmieden Probe arbeiten und sich dann entscheiden.

Mangelnde Vorbereitung oder fehlende Motivation kann man Toni-Jakob Seidt nicht nachsagen: Ein gutes Dutzend Praktika, von Zimmermann über Kaminfeger oder Zahntechniker bis zum Goldschmied, während und nach der Schule hat er absolviert, um herauszufinden, was er wirklich einmal machen möchte. „Es heißt ja so schön: Mach einen Job, den du liebst, und du musst nie wieder arbeiten“, sagt er. Also hat er gesucht und im Goldschmieden seine Berufung gefunden: „Aus einem einfachen Stück Metall etwas Schönes, Bleibendes schaffen, das Emotionen weckt und das sich Menschen täglich gern anschauen – kann es einen schöneren Beruf geben?“ Auch nach dem Unterricht findet man ihn oft noch in der Werkstatt. Nach seiner Ausbildung kann er sich vorstellen, auf die Walz zu gehen, also bei anderen Goldschmieden mitzuarbeiten, neue Techniken zu lernen, irgendwann seinen Meister zu machen und seine eigene Goldschmiede zu eröffnen.

Auch Hannah Lindenthal, 25, die in Toni-Jakob Seidts Parallelklasse lernt, sieht sich irgendwann in ihrer eigenen Goldschmiede oder mit anderen in einem Geschäft rund ums Heiraten. „Ich könnte mir gut vorstellen, gemeinsam mit einer Modedesignerin und einer Floristin zu arbeiten“, erzählt sie. „Alle Gewerke rund ums Heiraten an einem Ort, alles Fair Trade, Fair Mined und nachhaltig, das wäre mein Traum.“ Die Goldschmiedeausbildung ist bereits ihre zweite, nachdem sie ursprünglich Grafikerin gelernt hatte und sich nach etwas Handwerklicherem sehnte. Für den Weg über die Goldschmiedeschule Pforzheim hat sie sich sehr bewusst entschieden.

Die gebürtige Innsbruckerin arbeitet nun abends und am Wochenende weiter als Grafikerin, so kann sie die zwei Jahre Goldschmiedeschule ohne Einkommen überbrücken. Denn auch das gehört zur Wahrheit: Mit dem Rat, erst mal die Goldschmiedeschule zu absolvieren und sich dann noch mal für eine Ausbildung zu bewerben, sparen sich viele Goldschmiede die ersten zwei Jahre des Azubi- Gehalts. Deutsche Azubis können Bafög für diese Zeit beantragen, Hannah Lindenthal als Österreicherin nicht. Sie sieht das aber pragmatisch im europäischen Vergleich: „In Österreich oder Italien hätte mich eine hochklassige Ausbildung wie in Pforzheim mehr als 20.000 Euro gekostet – hier zahle ich nur für Werkzeug und Material.“

Auch sie sucht momentan ihre Praxisstation ab Herbst, idealerweise eine Goldschmiede, die nachhaltig und mit fairmined Gold arbeitet, gern auch mit cleanem Design. Das engt die Auswahl stark ein. Weil es sie privat nach Hamburg zieht, wiegt der Ort momentan mehr als die Wunschschmiede. „Selbstverwirklichen kann ich mich ja auch nach der Ausbildung – erst mal möchte ich so viel wie möglich lernen, um das möglich zu machen.“

Toni-Jakob Seidt und Hannah Lindenthal wissen, was sie möchten und was nicht. Wie so viele Goldschmiede gehören auch sie zu den kreativen Freigeistern, die ihre Zukunft nicht in der Industrie und perspektivisch nicht in der Festanstellung sehen. Für sie sind Schulen wie die Goldschmiedeschule Pforzheim oder auch die Zeichenakademie Hanau ideal, um sich für ihre Träume zu rüsten. Sie hoffen nun, dass sie Goldschmiede finden, die sie auf dem Weg dahin begleiten.

 

„Viele rieten mir dazu, erst mal auf die Goldschmiedeschule in Pforzheim zu gehen und es anschließend noch mal bei ihnen zu probieren.“

Toni-Jakob Seidt
Goldschmied in Ausbildung

 

 

Ist die duale Ausbildung ein Auslaufmodell?

Was die Beispiele zeigen: Offensichtlich funktioniert der „deutsche Königsweg“ der Ausbildung in der Schmuckbranche nicht mehr. Liegt die Lösung also im Ausbau der vollschulischen Ausbildungswege? „Mit unseren Werkstattkapazitäten stoßen wir da an Grenzen“, antwortet Dr. Michael Kiefer von der Goldschmiedeschule Pforzheim auf die Frage, ob ein Ausbau des Angebots denkbar sei. „Wir sehen aber schon, dass Industrie und Handwerk unsere Ausbildungsgänge als willkommenen Service nutzen.“ Dorothe Parchettka vom Berufskolleg Ost in Essen kann sich vorstellen, einen vollschulischen Ausbildungsgang neben dem derzeitigen dualen zu etablieren. „Wir haben hier ja noch eine zweite Werkstatt, voll ausgestattet, so könnte sie sinnvoll weitergenutzt werden und geht nicht verloren. Wenn sie erst mal weg ist, ist sie endgültig weg.“

Goldschmiede dagegen sagen, eine rein schulische Ausbildung könne die betriebliche nicht ersetzen, den Absolventen fehle der Kundenkontakt und die Erfahrung, zeitökonomisch zu arbeiten. Man müsse sie, obwohl der Abschluss dem Gesellen gleichgestellt ist, selbst nochmals ausbilden. Die Schulen dagegen sagen, die technische Ausstattung, die sie haben, die Techniken, die sie vermitteln, könne kein einzelner Goldschmied bieten und leisten. So dreht sich die Diskussion im Kreise, ohne dass es davon mehr Lehrlinge gibt, die die Branche so dringend braucht.

Einer, der diese Entwicklung mit Sorge sieht, ist Hans-Peter Barth, Betriebsleiter bei Burger Edelmetalle und nach gut 45 Jahren in der Branche bestens vernetzt. Aus Umfragen weiß er, dass rund die Hälfte der deutschen Goldschmiede jenseits der 50 ist. „Auch das ist ein Faktor: Mit 60 bilden die wenigsten noch aus, sondern bereiten sich auf den Ruhestand vor.“ Angesichts dieser Aussichten sei nicht weniger als eine „Wiederbelebung“ der Branche nötig, sagt Barth, bevor das Handwerk ganz wegbricht. Er möchte dafür eine gemeinsame, breit angelegte Aktion der Innungen, der Verbände, des Handels und der Industrie initiieren. „Dieses Thema betrifft alle, deshalb muss es gelingen, ein gemeinsames Konzept zu entwickeln: Wie wollen wir in die Zukunft gehen? Wie kann mehr Ausbildung gelingen? Wen und wie viele brauchen wir eigentlich?“ Die Situation zu beklagen, nutze keinem, Machen sei das Gebot der Stunde.

Als Ergebnis könne ein gemeinsamer Ausbildungsfonds stehen für alle, die ausbilden, oder für alle, die sich für eine Ausbildung entscheiden. Oder eine gemeinsame Werbekampagne, um junge Leute für die Berufe zu begeistern. Oder ganz andere Ideen. Klar sei nur: „Es muss jetzt jemand den ersten Stein werfen und damit beginnen. Viel Zeit bleibt uns nicht mehr.“

 

„Ich könnte mir gut vorstellen, gemeinsam mit einer Modedesignerin und einer Floristin zu arbeiten.“

Hannah Lindenthal
Goldschmiedin in Ausbildung

 

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